Fifty shades of Wääääh
Sieben Fläschchen stehen vor mir. Alle sind sie Kerle, die eine dicke goldenen Kette um den Hals tragen, auf der «the peated» steht. Ich habe die Begegnung nicht gesucht, doch in einem Anfall unglaublichen Mutes hatte ich behauptet: «Ich nehme es mit ihnen auf!»
Nun ist Freitagabend und ich will es jetzt wissen. Sympathisch sind sie mir nicht. Sie lächeln mich mit ihren unterschiedlichen Goldtönen an, von klar bis rotgelb ist alles dabei. Ich habe Angst.
Das Licht in dieser Bar ist schlecht. Ich gehe auf den hellsten Whisky zu. Vielleicht bedeutet hell ja auch weniger grummelnd.
Uiuiui, er heisst Big Peat, vom Stamme der Blend, 40 %ig. Naja, von letzterem her keine Herausforderung. Sein Teint ist blass mit dem leichten Leuchten des Strohs. In der Nase: eindeutig Acetalaldehyd, was immer es ist, wohlriechend ist es nicht. Ein schmieriger Typ. Riecht beissend nach einem Stück verbrannter Eiche. Was erst in der Nase war, ist jetzt auch auf der Zunge. Verbranntes Holz haftet lange an. Mit seiner Süsse versucht er, das Chemisch-schmierölige zu besänftigen. Geht nicht.
Ich musste schon zum Brot greifen.
Sein Kumpel Lagg Kilmory ist ebenfalls eine blasse Gestalt, hat aber mit 46 % etwas mehr auf der Brust. Sein Name lässt mich an das Schottland meiner Fantasie denken, dunkle saftige Wiesen, wilde von den Hängen sprudelnde Bäche. Mal sehen, ob’s dabei bleibt. In der Nase: Nicht ganz so ölig wie sein Vorgänger, das torfige dezent. In meiner Vorstellung kommen jetzt Kühe auf die Wiese und mit ihnen die Kuhfladen. Das verbrannte Stück Holz ist in eine nasse, saftige Wiese gefallen. Diese Frische gefällt mir. Es lässt das Rauchige versöhnlich und freundlich daher kommen. Er schmeckt mir auch besser als der erste Whisky. Das Angekokelte wird mit der angenehmen Alkohol- und Pfefferschärfe zu einem freundlichen Kerl, mit dem man Lust auf ein schönes Stück Käse bekommt.
Sein Name passt nicht zu dem klaren, zart goldigen Anblick: Silkie, The Legendary Dark Whiskey. Aha, ein Ire mit satten 46 %. Das «Dark» bezieht sich eindeutig auf seinen Geruch: Als hätte er etwas von der modrig-schimmligen Ecke angenommen, in der man ihn lange hat liegen lassen. Müsste ich so etwas in der Küche brauchen, hätte ich es weggeschüttet. Sorry, er riecht nach lange ungewaschenem Menschen, der auch die Kleider nicht wechseln konnte. Doch der Geschmack – halleluja – versöhnt mit dem Geruch. Hier kommt die dunkle Schokolade zum Vorschein, verbunden mit der Säure der noch jungen Walnuss. Das Torfige nur ein Extrakick. Im Abgang bleibt eine kleine, schwach räuchelnde Glut. Es bleibt ein frisches Mundgefühl. Nice.
Meine nächste Bekanntschaft ist schon weniger blass, schaut schon leicht goldig aus seinem Fläschchen. Dafür jagt mir sein Name einen Schrecken ein: Timouros Beastie Highland blended. Hat 46.8 % und riecht überhaupt nicht nach Torf. Sondern ganz lieb feiss (feist auf deutsch) süsslich. Erinnert an frischen Kuchen und ein wenig nach altem Kleiderschrank. Im Mund: husch und weg. Kurz süss, kurz scharf und dann vergessen. Dieses Biestchen will nur spielen, tut niemandem was.
Kilchoman PX brüstet sich mit seinen 50 % und seiner Altgoldfarbe. Sein Leuchten gefällt mir. Er weiss, dass er zu den rauchigen gehört, doch er ist ein Gentleman, drängt sich damit nicht auf und gefällt mir mit dieser angenehmen Zurückhaltung. Eine leichte Säure und eine fröhliche Haselnuss schwingen mit. Mit dem ersten Schluck zeigt er eine knackige Schärfe. Der zurückbleibende Rauch hält lange an, ist aber nicht penetrant. Trotzdem hat er etwas sperriges, bestimmtes. Das zeugt von einem starken und doch noblen Charakter. Er hat was. Das Bittere und das Süsse spielen miteinander. Da sie gleich stark sind, ergeben sie zusammen eine angenehme Harmonie. Auch er: ein spezieller Typ, der fasziniert und den sogar ich wieder trinken würde. Vielleicht, weil er jemand ist, der noch weitere Facetten haben könnte?
Nochmals ein Lagg, ein Lagg Corriecravie aus dem Sherryfass. Ein fassstarker Kerl mit 59 %. Unterdessen ist meine Furcht vor diesen torfigen Whiskys dahin. Ob es an den bislang getrunkenen Gläsern liegt? Farblich dürfte man ihn dem hellen Bernstein zuordnen. Meine Nase erkennt nichts torfig rauchiges, dafür erinnert das Beissende an nasse Strohballen, wenn sie in der Sommerhitze wieder trocknen. Je länger das Schnüffeln andauert, je mehr zeigt sich auch der Geruch des alten Sherryfasses. Der erste Schluck übermannt dann auch die Zunge mit seiner puren Kraft. Hier wird er zum Mitglied der Peated-Gang. Mit kräftigem, stark geröstetem Kaffee, verbunden mit üppiger Karamell-Süsse tritt dieser Whisky kraftvoll und bestimmt auf. Seine Säure ist mitbestimmend, stört die Choreografie überhaupt nicht. Dass die Strasse, über die er stampft, frisch geteert ist, gehört ins Drehbuch. Und Rauch gehört dazu! (Habe ich das wirklich gesagt?) Denn in jeder Show, in der es kracht und knallt, darf Rauch nicht fehlen.
Das letzte Fläschlein wurde aus der Reihe von hell nach dunkel herausgerissen (von René) und ans Ende meiner Versuchsreihe gestellt. Was das wohl heisst? Mir schwant Böses. Also habe ich wieder einen Burschen vor mir, der hell ist wie Weisswein. Mackmyra Svensk Rök, nennt er sich. Ist wohl ein Single Malt aus Schweden. Mit 46 % geht es wieder weg von der Fassstärke in gemässigtere Alkoholzonen. In der Nase steigt erst der Alkohol hoch und lässt sie prickeln. Was nachher folgt, kann ich gar nicht richtig einordnen. Es gibt einen flachen süsslichen Geruch nach Haushaltzucker und einen etwas dominanteren nach Händedesinfektion. Und dann wage ich mich an einen Schluck. Gäbe es einen Asterix-Comic über Schottland, würde Obelix nun zum Destillateur gehen und sagen: «Es ist nicht gut, was du da brennst.» Es gibt verschiedene rauchige, verbrannte, saure, ätzende und medizinische Geschmackskomponenten, die in ihrer Vielfalt ein für mein Empfinden widerlichen, unharmonischen Whisky ergeben. Er kommt daher wie eine wilde und brüllende Meute. Er wird auch beim dritten Schluck nicht besser. Am Gaumen klebt eine bittere Lakritze, auf der Zunge etwas Dreck von der Landstrasse.
Zusammenfassung: Ich habe mich auf durchgehende Wähs in verschiedenen Abstufungen eingestellt. Schlussendlich haben mir drei von sieben aus der Peated-Gang gut bis sehr gut gefallen. Also keine Angst vor diesen Whiskys. Jeder ist es wert, probiert zu werden. Wenn auch vielleicht nur ein Mal.